Der erste große Urheberrechtsprozess gegen Künstliche Intelligenz in Deutschland
Wenn Musikrecht auf Künstliche Intelligenz trifft
Es hat nicht lange gedauert, bis die große Rechtsfrage rund um Urheberrecht und künstliche Intelligenz Deutschland erreicht hat. Während in den USA bereits erste große Prozesse gegen KI-Anbieter wie OpenAI und Anthropic erste Ergebnisse geliefert haben, stellt sich nun auch hierzulande die Frage:
Darf ein KI-Modell geschützte Werke ohne Lizenz nutzen und wer trägt die Verantwortung?
Diese Frage steht im Mittelpunkt eines der bedeutendsten Verfahren des Jahres. Es geht um die rechtlichen Aspekte von GEMA vs. OpenAI, und die Klärung der Nutzungsrechte geschützter Werke.
Die GEMA, deutsche Verwertungsgesellschaft für Musikurheber, reichte im Sommer 2024 beim Landgericht München Klage gegen OpenAI ein. Streitgegenstand im Fall GEMA vs. OpenAI ist die Ausgabe vollständiger, urheberrechtlich geschützter Songtexte durch das Sprachmodell ChatGPT auf Nutzeranfragen. Diese geschieht ohne entsprechende Lizenz. (offizieller Pressemeldung der GEMA)
Dabei handelt es sich unter anderem um bekannten Werke wie „Atemlos durch die Nacht“ von Helene Fischer, „Verdammt, ich lieb’ dich“ von Matthias Reim oder „Ein Stern (…der deinen Namen trägt)“ von DJ Ötzi.
Damit stellt GEMA vs. OpenAI den ersten bekannten Fall in Europa dar, in dem eine Verwertungsgesellschaft rechtlich gegen einen KI-Anbieter vorgeht.
Der Streitgegenstand: Unlizenzierte Wiedergabe von Songtexten
Die GEMA vertritt in Deutschland die Rechte von mehr als 95.000 Musikschaffenden – darunter Songwriter, Textdichter und Komponisten. Im Verfahren GEMA vs. OpenAI erhebt die GEMA den Vorwurf, dass ChatGPT bei Aufforderungen, wie beispielsweise:
„Bitte gib mir den Songtext zu Atemlos durch die Nacht von Helene Fischer“
der vollständige Text ohne Lizenzvereinbarung ausgegeben wird. Dagegen argumentiert OpenAI mit einer Berufung auf die Text- und Data Mining- Schranke (§ 44b UrhG). Diese gesetzliche Ausnahme im deutschen Urheberrecht erlaubt es, auch ohne Lizenz, urheberrechtlich geschützte Werke für Entwicklungszwecke zu nutzen
Wenn die Rechteinhaber jedoch ausdrücklich Widerspruch einlegen, greift diese Schrankenregelung nicht. Sie erlaubt es den Urhebern, die Verwendung ihrer Werke für KI- Zwecke zu untersagen – das sogenannte „Opt-out“ Recht. Die GEMA hat ein solches Out-Put bereits ausgesprochen. Im Verfahren GEMA vs. OpenAI machen sie somit deutlich, dass ihre Werke nicht für KI-Trainingszwecke oder Forschung genutzt werden dürfen. Nach Ansicht der GEMA verletzt OpenAI somit eindeutig das Urheberrecht. Weitere Infos
Die zentralen Rechtsfragen im Überblick
Dieser Fall GEMA vs. OpenAI zeigt, wie komplex die Rechtslage rund um KI und Urheberrecht geworden ist. Zudem wirft er grundlegende rechtliche Frage auf:
Welche Regeln gelten für die Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke durch KI?
KI-Anbieter müssen prüfen, welche Inhalte sie rechtlich verwenden dürfen. Grundsätzlich ist die Nutzung ohne Zustimmung der Rechteinhaber nicht erlaubt. Nur wenn kein Out-Put erklärt wurde, gilt die Ausnahme der Text- und Data-Mining (§ 44b UrhG) siehe oben.
Müssen KI-generierte Inhalte gekennzeichnet werden?
Ab August 2026 müssen in Deutschland Inhalte, die überwiegend von KI erstellte wurden gekennzeichnet werden. Vor allem dann, wenn der Eindruck entsteht, sie seien menschlich erzeugt. Bei Inhalten, die lediglich unterstützend oder wesentlich überarbeitet von KI erstellt wurden, entfällt diese Kennzeichnungspflicht.
Wer haftet, wenn KI-Modelle geschützte Inhalte ausgeben – Anbieter oder Nutzer?
In der Regel trägt der Anbieter die Verantwortung, wenn er keine ausreichenden Schutzmaßnahmen trifft. Auch Nutzer können jedoch belangt werden, wenn sie urheberrechtswidriges Material veröffentlichen oder verwenden.
Sind KI-generierte Werke selbst urheberrechtlich geschützt?
Nach deutschem Recht setzt der Urheberrechtsschutz eine menschliche geistige Eigenleistung voraus. Rein von KI erstellte Inhalte sind daher nicht urheberrechtlich geschützt, es sei denn, ein Mensch hat entscheidend mitgewirkt.
Prozessstand: Bevorstehendes Urteil, mit hohen Erwartungen
Die Klage befindet sich derzeit in der Vorbereitungsphase (Stand: Anfang November 2025).
Im laufenden Verfahren GEMA vs. OpenAI deutete die Vorsitzende Richterin an, dass zentrale Punkte zugunsten der GEMA gewertet werden könnten. Sie begründet dies mit der nahezu identischen Wiedergabe urheberrechtlich geschützter Songtexte durch das KI-System. OpenAI bestreitet jedoch, Songtexte zu speichern, und betont, dass Textvariationen und Nutzerinteraktionen die Ergebnisse beeinflussen. Ein Vergleich kam bislang nicht zustande.
Das Verfahren wird am 11. November 2025 fortgesetzt. Dann könnte ein Urteil fallen oder der Fall an den Europäischen Gerichtshof weitergeleitet werden.
Parallel prüft die EU-Kommission, ob KI-Anbieter künftig Lizenzen erwerben oder Pauschalzahlungen leisten müssen. Ziel ist eine faire Vergütung für Urheber sicherzustellen und klare Regeln für die Nutzung geschützter Inhalte zu schaffen.
Der Fall entscheidet nicht nur über die Nutzung einzelner Songtexte, sondern gilt als wegweisend. Er wird klären, wie urheberrechtlich geschützte Werke in KI-Systemen genutzt werden dürfen und ob Rechteinhaber dafür eine Vergütung verlangen können. Betroffene Gruppen sind:
- Für Urheber/innen: Das Urteil von GEMA vs. OpenAI kann über die Nutzung ihrer Werke entscheiden und mögliche Einnahmen sichern.
- Für KI-Anbieter: GEMA vs. OpenAI wird Maßstäbe setzten, wie rechtlich abgesicherte Trainingsdaten zu nutzen und Haftungsrisiken zu beachten sind.
- Politik & Regulierungsbehörden: Die Entscheidung kann als Grundlage für neue Gesetze und EU weite Regelungen dienen, um faire Vergütung und klare Regeln zu schaffen.
Mögliche Folgen der jeweiligen Urteile
- Was passiert, wenn die GEMA gewinnt?
Sollte die GEMA gewinnen, müssten KI-Anbieter künftig für die Nutzung geschützter Werke zahlen. Urheber könnten ihre Rechte damit wirksamer durchsetzen. Ein solches Urteil würde klare Leitplanken für die gesamte Kreativwirtschaft setzen.
- Was hat ein Urteil zugunsten von OpenAI zur Folge?
Wenn OpenAI gewinnen sollte, wäre die Nutzung geschützter Werke für Trainingszwecke weitgehend lizenzfrei. Urheber hätten kaum Vergütungsansprüche. Das Urteil würde einen Präzedenzfall für künftige KI-Systeme schaffen.
Fazit: Wegweisender Prozess für KI und Urheberrecht
Der Rechtsstreit GEMA vs. OpenAI markiert einen wichtigen Wendepunkt im Umgang mit Urheberrecht und künstlicher Intelligenz. Es entscheidet, in welchem Umfang kreative Werke als Trainingsdaten für KI-Systeme genutzt werden dürfen und welche Rechte dabei geschützt werden. Die Entscheidung wird beachtliche Folgen für zahlreiche kreative Bereiche haben. Außerdem wird es zeigen, wie eng Recht, Technik und Ethik künftig zusammenhängen.
