GEMA-Gebühren sind nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes (Az. I ZR 14/14) in Wartezimmern von Zahnärzten nicht mehr zu zahlen, um Radiosendungen für ihre wartenden Patienten als Hintergrundmusik zu nutzen. Damit folgte der BGH einer Entscheidung des Gerichtshofes der europäischen Union vom 15. März 2012 (SCF/Del Corso).
Vorausgegangen war ein Gerichtsverfahren 1. Instanz vor dem Amtsgericht Düsseldorf (Az. 57 C 12732/12 vom 04.04.2013) sowie eine Berufungsverfahren vor dem Landgericht Düsseldorf (Az. 23 S 144/13 vom 08.01.2014).
Verklagt wurde ein Zahnarzt aus Düsseldorf, der einen bestehenden GEMA-Nutzungsvertrag fristlos kündigte, nachdem der Gerichtshof der europäischen Union mit seinem Urteil feststellte, dass die Wiedergabe von Hintergrundmusik in Zahnarztpraxen keine öffentliche Wiedergabe darstelle. Die GEMA bestand auf die Zahlung ihrer GEMA-Gebühren.
Bisherige Rechtslage
Bis zum Urteil des Gerichtshofes der europäischen Union war es in Deutschland gefestigte Rechtsprechung, dass Radiosendungen in Wartezimmern von Arztpraxen eine öffentliche Wiedergabe im Sinne von § 15 Absatz 3 Urheberrecht darstellt. Diese Sendung griff in das ausschließliche Recht der Urheber von Musikwerken ein, Funksendungen von Werken durch Lautsprecher wahrnehmbar zu machen und begründete einen Anspruch der ausübenden Künstler auf angemessene Vergütung. Diese angemessene Vergütung wurde durch die zu zahlenden GEMA-Gebühren geltend gemacht.
Neue Rechtslage
Der Begriff der öffenrlichen Wiedergabe hat seine unionsrechtliche Grundlage in Art. 3 Absatz 1 der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft. In Artikel 3 Absatz 1 heißt es:
„Recht der öffentlichen Wiedergabe von Werken und Recht der öffentlichen Zugänglichmachung sonstiger Schutzgegenstände
(1) Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass den Urhebern das ausschließliche Recht zusteht, die drahtgebundene oder drahtlose öffentliche Wiedergabe ihrer Werke einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung der Werke in der Weise, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind, zu erlauben oder zu verbieten.“
Voraussetzungen „öffentliche Wiedergabe“
Ob eine öffentliche Wiedergabe vorliegt, bedarf einer individuellen Beurteilung, bei der die drei folgenden unselbständigen und miteinander verflochtenen Kritierien einzeln und in ihrem Zusammenwirken miteinander berücksichtigt werden müssen:
- Wiedergabe
- Öffentlichkeit
- Erwerbszwecke
Eine „Wiedergabe“ setzt voraus, dass der Nutzer in voller Kenntnis der Folgen seines Verhaltens tätig werde, um Dritten einen zugang zum geschützten Werk zu verschaffen, den diese ohne sein Tätigwerden nicht hätten.
Eine „Öffentlichkeit“ ist nur gegeben bei einer unbestimmten Zahl potentieller Adressaten und recht vielen Personen. Dabei kommt es darauf an, wie viele Personen gleichzeitig und nacheinander zugang zu demselben Werk haben.
Zu „Erwerbszwecken“ dient eine Nutzungshandlung, wenn sie sich gezielt an das Publikum wendet, für das die Wiedergabe vorgenommen wird und dieses Publikum für die Wiedergabe aufnahmebereit ist und nicht nur zufällig erreicht werden soll.
Der BGH setzt sich in seinem Urteil zwar mit der Frage der „Erwerbszweckmäßigkeit“ ausführlich aus, lässt diese Frage aber in dem Fall des zahnarztes aus Düsseldorf offen und stützt seine Entscheidung auf die Frage des Begriffes der „Öffentlichkeit“. Wie beschrieben setzt eine öffentliche Wiedergabe nach dem Gerichtshof der Europäischen Union zwingend eine unbestimmte Zahl potentieller Adressaten und recht viele Personen als Adressaten voraus.
„Unbstimmte Zahl potentieller Adressaten“
Um eine „unbestimmte Zahl potentieller Adressaten“ handelt es sich, wenn die Wiedergabe für Personen allgemein erfolgt, also nicht auf besondere Personen beschränkt ist, die einer privaten Gruppe angehören.
„Recht viele Personen“
Mit dem Kriterium „recht viele Personen“ ist gemeint, dass der Begriff der Öffentlichkeit eine bestimmte Mindestschwelle enthält und eine allzu kleine oder gar unbedeutende Mehrzahl betroffener Personen ausschließt. Dabei kommt es darauf an, wie viele Personen gleichzeitig und nacheinander Zugang zu demselben Werk haben.
In einer Zahnarztpraxis sind diese Voraussetzunge nicht gegeben. Die Pateinten eines Zahnarztes bildeten üblicherweise eine bestimmte Gesamtheit potentieller Leistungsempfänger, da andere Personen grundsätzlich keinen Zugang zur Behandlung durch einen Zahnarzt haben. Ausserdem ist die Anzhal der wartenden Patieten unerheblich oder sogar unbedeutend, da sehr begrenzt. Zudem kommen die Patienten nacheinander und hören in der Regel nicht dieselben Tonträger.
GEMA-Gebühren in Hotels und Kneipen
Die Voraussetzungen der unbestimmten Zahl der Adressaten und „recht vieler Personen“ ist allerdings gegeben, wenn in einem Hotel Radiosendungen für Gäste in deren Zimmer übertragen wird oder in einer Gatststätte für die sich darin aufhalten Gäste (EuGH SGAE/Rafael; PPL/Irland; Football Association Premier League and Murphy). Der aktuelle GEMA-Tarif für Hotelzimmer WR S-1 beträgt EUR 4,90/Zimmer im Jahr.
Fazit
Sollten Sie also einen GEMA-Lizenzvertrag für das Abspielen von Radiosendungen in einer Zahnarztpraxis abgeschlossen haben, kann dieser gekündigt werden. Diese Entscheidung dürfte auf vergleichbare Fälle wie andere Arztpraxen sowie Wartebereiche anderer Freiberufler, Dienstleister oder Geschäfte übertragbar sein. Allerdings ist die Frage der Öffentlichkeit in jedem Einzelfall konkret zu prüfen.
Sollten Sie Fragen haben oder Hilfe bei einer Auseinandersetzung im Hiblick auf GEMA-Gebühren benötigen, konaktieren Sie uns gerne telefonisch unter 0221-4201074, per E-Mail unter info@rehkatsch.de oder vereinbaren Sie einen Termin mit unserer Kanzlei.